Pressemitteilung vom 21. Dezember 2016

EEG-Novelle 2017: Chancen und Risiken

Interview mit Prof. Erik Gawel, Energie- und Umweltökonom am UFZ

Zum Jahreswechsel tritt die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) in Kraft. Es soll den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien besser planbar und gnstiger werden lassen. Dazu wird der Ausbau an den Umbau des Stromnetzes angepasst. Da von nun an neue Wind- und Solaranlagen ber Ausschreibungen erfolgen, warnen viele Kritiker vor einem Ausbremsen des Erfolgsmodells deutsche Energiewende. Im Interview beurteilt Prof. Dr. Erik Gawel, Energie- und Umweltkonom am UFZ in Leipzig, Chancen und Risiken der EEG-Novelle und beleuchtet den aktuellen Stand der Energiewende. Auerdem spricht er sich fr eine unabhngige "Europische Emissionsbank" aus, um den Emissionshandel als zentrales konomisches Instrument der Energiewende wiederzubeleben.

Energie- und Umweltökonom Erik Gawel Foto: UFZ / Sebastian Wiedling
Energie- und Umweltökonom Erik Gawel
Foto: UFZ / Sebastian Wiedling

Prof. Gawel, sind wir mit der aktuellen Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes auf einem guten Weg mit der deutschen Energiewende?
Für die erste Phase war das ursprüngliche Instrumentarium des EEG mit Festpreisen, die der Staat für jede Technologie differenziert festlegt, richtig. Das führte erfolgreich zu einer Marktdurchdringung der Erneuerbaren und deren technologische Entwicklung. Das novellierte EEG 2017 mit einer Ausrichtung auf eine verstärkte Marktintegration der Erneuerbaren ist grundsätzlich richtig. Nach dem sehr erfolgreichen Start zeigt nun das zentrale Vehikel der Ausschreibungen die mittel- und langfristige Marschrichtung auf.

Denn mit zunehmender Bedeutung der Erneuerbaren im Strommarkt - ein Anteil von über 30 Prozent wurde bisher erreicht - stellt sich die Frage nach einer verbesserten Markt- und Systemintegration und nach Beiträgen zur Netzstabilität. Das ist bereits in der EEG-Novelle 2012 eingeleitet worden und wird nun weiter geführt. Wir brauchen ein stärker marktorientiertes Fördersystem, das auch wieder angepasst werden wird, bis langfristig eine Förderung der Erneuerbaren Energien komplett überflüssig wird. Irgendwann brauchen wir ein solches EEG also gar nicht mehr.

Was sind konkret die wesentlichen Änderungen beim EEG 2017?
Diese Änderungen bestehen darin, dass für bestimmte Technologien - im wesentlichen Wind - onshore und offshore - sowie Photovoltaik - die Vergütung über marktliche Ausschreibung von Zubaumengen ermittelt wird. Das ist die ganz zentrale Änderung zu früher. Nun gibt der Staat nicht mehr die Vergütung vor, auf die der Markt mit einer Ausbaumenge antwortet. Sondern umgekehrt: Nun gibt der Staat die Ausbaumenge vor, und der Markt reagiert mit Angeboten zu geringstmöglichen Kosten. Das ist das Herzstück der aktuellen Novelle.

Das klingt mit einer Mobilisierung der Marktkräfte doch recht positiv?
Ja, das klingt positiv. Man muss aber natürlich genauer schauen, was hier "mehr Markt" wirklich heißt. Der Staat kontrolliert den Zubau. Und die Ausschreibungen müssen nicht unbedingt dazu führen, dass nun die Kosten wirklich spürbar sinken. Dafür sorgen höhere Risiko- und erhebliche Transaktionskosten des Ausschreibungsverfahrens. Das wird man abwarten müssen.

Die Verbände für Erneuerbare Energien äußern vehement Kritik und warnen vor einem Rückschlag für die Energiewende. Sind die Vorwürfe berechtigt?
Die Vorwürfe halte ich in dieser pauschalen Form für überzogen. Man erkennt, dass auch im Sektor der Erneuerbaren viele Interessen im Spiel sind. Es gibt Gruppen, die ein Interesse an einem starken und ungezügelten Ausbau der Erneuerbaren haben. Aber das muss nicht mit dem allgemeinen Interesse übereinstimmen. Man muss eine vernünftige Balance finden zwischen dem Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung auf der einen Seite und etwa dem Ausbau der Stromnetze auf der anderen Seite.

Dazu kommt noch ein nötiger Gleichklang zwischen den Sektoren Strom, Wärme und Verkehr. Und wir brauchen auch regionale Balance. Das führt dazu, dass nicht jeder Wunsch auf sofortigen Zubau im übergeordneten Interesse realisiert werden kann. Hier ist Augenmaß erforderlich.

Ein anderer Vorwurf lautet, dass die aktuelle Novelle den großen Energieversorgern eine Chance zum Aufholen gibt, obwohl sie die Umstellung bisher weitestgehend verschlafen haben.
Das mag so sein, aber wir halten hier ja kein "Strafgericht" ab. Wir formulieren die Erwartungen der Gesellschaft an den weiteren Fortschritt der Energiewende. Und wer immer dazu beitragen möchte, ist aus meiner Sicht willkommen. Wir teilen den Markt nicht in erwünschte und unerwünschte Teilnehmer auf. Die großen Stromerzeuger haben nun das Gebot der Stunde erkannt und orientieren sich neu. Das ist aus gesamtwirtschaftlicher Sicht nur zu begrüßen. Wir werden die Energiewende auch nicht ohne kapitalkräftige Großinvestoren etwa für Offshore-Windparks schaffen. Das ist nichts für Häuslebauer oder Kleininvestoren.

Die deutsche Energiewende setzt stark auf dezentralen Aufbau. Doch Offshore-Windparks bilden zentrale Großkraftwerke. Wie verträgt sich das miteinander?
In der Tat: Der Ansatz der Dezentralität trägt nicht durchgehend. Wind-offshore ist ein Element der Zentralität. Aber das ist auch Teil der Energiewende. Die erneuerbare Welt ist dezentraler als die fossil-nukleare, aber sie kommt auch nicht ohne große Einheiten aus. Virtuelle Kraftwerke, größere Solarparks und vor allem Windparks in Nord- und Ostsee. Diese großen Einheiten werden nach allen Szenarien auch eine wichtige Rolle spielen. Die Zukunft ist ganz klar dezentraler, aber gewiss nicht vollständig "atomisiert".

Verbraucher sehen stetig fallende Kosten für Strom aus Wind und Sonne. Aber die eigene Stromrechnung steigt. Wird dieser Trend irgendwann umgekehrt, so dass auch der private Verbraucher finanziell profitiert?
Der Trend wird sich dann umkehren können, wenn der darüber klagende Endverbraucher selber aktiv wird und zum Wettbewerb intensiv beiträgt. Er muss Preise und Tarife vergleichen und zum Wechsler werden. Bisher haben wir viel zu wenig Wettbewerb von dieser Seite. Das ist für mich das zentrale Moment, warum fallende Großhandels-Preise nicht weitergegeben werden.

Im Augenblick haben wir zudem auf der Kostenseite noch einen großen Rucksack aus den Alt-Förderungen gemäß des EEG seit 2000. Die Entlastungen durch die neue Novelle können erst Schritt für Schritt in der Zukunft greifen. Da darf man jetzt keine Wunderdinge erwarten. Ich kann nur raten, Preise fleißig über Internetportale zu vergleichen, um den Wettbewerbsdruck auf Stromanbieter zu erhöhen und im Übrigen Ökostrom nachzufragen.

Deutschland wird sein selbstgestecktes Klimaziel für 2020 knapp verfehlen. Wie sehen Sie die Entwicklung bis 2050?
Für die Klimaziele sind alle Treibhausgas-Emissions-Bereiche wichtig, nicht nur die Stromerzeugung. Im Energiebereich sind auch Effizienzsteigerung sowie Einsparungen im Wärme- und Verkehrssektor erforderlich. Aber die Strom-Energiewende selbst ist grundsätzlich auf einem guten Weg. Nachholbedarf haben wir bei der Wärmewende und bei der Verkehrswende. So erwartet die Bundesregierung bis 2050 einen klimaneutralen Gebäudebestand. Da sind noch gewaltige Schritte zu gehen, denn der Wärmebereich birgt ein enormes Potenzial. Die Sanierungsraten müssen dazu aber sozialverträglich beschleunigt werden.

Und im Verkehrsbereich ist bisher nicht viel passiert. Hier brauchen wir intelligente Konzepte etwa für die Elektromobilität. Wenn wir bei Wärme und Verkehr ähnlich aktiv werden wie im Stromsektor mit dem EEG, kann die Energiewende insgesamt gelingen.

Stichwort Kohleausstieg: Brauchen wir dazu strengere politische Vorgaben?
In den letzten Jahren haben sich Strom aus Braunkohle und Zunahme der Erneuerbaren keineswegs ausgeschlossen. Das war eine irritierende Facette der Energiewende. Aber der Kohleaussteig ist kein Selbstläufer. Der Emissionshandel lahmt, und im Strommarktgesetz gab es letztlich den Beschluss einer Kraftwerksreserve mit entsprechenden Sondervergütungen - also ein goldener Handschlag für auslaufende Kohlekraftwerke. Das setzt völlig falsche Signale für die Bereinigung des Kraftwerksparks.

Wir brauchen für den Kohleausstieg gezielte Anreize, den konventionellen Kraftwerkspark umzubauen. Dazu gehört in erster Linie ein klares Signal zur Dekarbonisierung vom europäischen Emissionshandel. Das haben wir im Moment nicht. Stattdessen läuft höchstens ein Kohleausstieg im Schongang.

Also könnte ein funktionierender Emissionshandel das Kohle-Problem von selbst lösen?
Ja, das hätte schon in den letzten Jahren Kohle in den Bereich geringerer Wirtschaftlichkeit gebracht und von selbst die Marktbereinigung erzeugt, die wir benötigen. Der Emissionshandel ist der Dreh- und Angelpunkt der Klimapolitik.

Wie könnte der Emissionshandel wieder in Gang kommen?
Heute sind zu viele Emissionsrechte im Umlauf. Der derzeit einstellige Preis für eine Tonne Kohlendioxid setzt keine Anreize für eine Emissionsvermeidung. Nicht der Emissionshandel an sich hat versagt. Er macht genau das, was er soll. Er zeigt nämlich Knappheiten im Markt an. Und diese Knappheiten sind derzeit schlicht zu gering. Die Krise des Emissionshandels ist eher eine Krise der EU-Klimapolitik.

Was müssten wir tun? Wir bräuchten ein verlässliches, langfristiges, wirksames Signal, damit wieder Knappheit an Emissionsrechte auf dem Markt entsteht. Das erzeugt verlässlich und dauerhaft höhere CO2-Preise. Die bisherigen Maßnahmen reichen dazu nicht aus. Wir brauchen sehr viel deutlichere Begrenzungen der Emissionsrechte. Aber das ist politisch schwer durchsetzbar.

Wollen Sie noch eine Idee für die Auflösung dieses Dilemmas? Eine unabhängige  europäische "Emissionsbank" könnte wirksam helfen, vergleichbar mit der Europäischen Zentralbank zur Sicherung der Preisniveaustabilität. Eine solche Emissionsbank wäre politisch unabhängig und nur dem Klimaschutz verpflichtet. Sie würde flexibel in den Markt intervenieren, falls erforderlich. In der jetzigen Situation würde sie Emissionsrechte zurückhalten oder aufkaufen und dadurch Verknappung mit steigenden Preisen verursachen. So könnte sich die Emissionsbank am Zwei-Grad-Ziel für den Klimaschutz orientieren, ähnlich wie die Europäische Zentralbank eine Zwei-Prozent-Inflation im Euro-Raum anstrebt. Sie könnte schneller in den Markt eingreifen, als es über langwierige politische Prozesse möglich wäre.

Gibt es Freunde für diese Idee?
In der Wissenschaft durchaus. Diese schon etwas ältere Idee findet in der Literatur viele Befürworter. Doch dass Politiker wenig geneigt sind, sich mit einer Emissionsbank selbst zu entmachten, kann ich leider auch nachvollziehen.

Wird Deutschland seine Vorreiterrolle für Klimaschutz und Energiewende in Zukunft behaupten können?
Das kann man nicht pauschal beantworten. Im Stromsektor werden wir die Probleme bewältigen. Aber bei der Elektromobilität sieht es hier nicht gerade nach Weltmarktführerschaft aus. Da sehe ich überhaupt keine Vorreiterrolle. Unstrittig ist der historische Verdienst Deutschlands. Ohne den deutschen Startschuss wären die Erneuerbaren heute nicht so günstig. Aber darauf kann man sich nicht ausruhen. Nun sind Anstrengungen für einen Europäischen Verbund gefordert, intelligente Kombinationen und mehr Flexibilität.

Wie sehen sie die Entwicklung von Emissionshandel und Klimaschutz weltweit?
Sehr positiv. Er wird nicht mehr bespöttelt oder verteufelt wie noch in den 1970er Jahren. Er ist Realität, und er funktioniert, wenn er die richtigen Rahmenbedingungen erhält. Weitere Initiativen nach China und Kalifornien werden kommen. Diese Emissionsmärkte müssen in Zukunft verkoppelt werden. Denn diesen Ansätzen gehört die Zukunft. Ich bin sehr zuversichtlich, dass damit die Kosten für eine Gesellschaft so gering wie möglich gehalten werden können.

Weiterführende  Informationen:
Aktuelle Analyse des EEG 2017: Gawel, E./Purkus, A.: EEG 2017 - Mehr Markt bei der Erneuerbare-Energien-Förderung?, in: Wirtschaftsdienst. Zeitschrift für Wirtschaftspolitik, 96. Jg. (2016), Heft 12, S. 910-915. https://link.springer.com/article/10.1007/s10273-016-2070-5

Energieökonomische Forschung am UFZ: www.ufz.de/energyeconomics

 


Weitere Informationen

Prof. Dr. Erik Gawel
UFZ-Department Ökonomie
erik.gawel@ufz.de

UFZ-Pressestelle

Susanne Hufe
Telefon: +49 341 235-1630
presse@ufz.de


Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) erforschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weit reichenden Veränderungen der Umwelt und erarbeiten Lösungsoptionen. In sechs Themenbereichen befassen sie sich mit Wasserressourcen, Ökosystemen der Zukunft, Umwelt- und Biotechnologien, Chemikalien in der Umwelt, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Das UFZ beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg circa 1.100 Mitarbeitende. Es wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt finanziert.

www.ufz.de

Die Helmholtz-Gemeinschaft identifiziert und bearbeitet große und vor allem drängende Fragen von Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft. Ihre Aufgabe ist es, langfristige Forschungsziele von Staat und Gesellschaft zu erreichen. Damit sollen die Lebensgrundlagen der Menschen erhalten und sogar verbessert werden. Helmholtz besteht aus 19 naturwissenschaftlich-technologischen und medizinisch-biologischen Forschungszentren.

www.helmholtz.de
« zurück